Liebe Freunde der Projekte des „Förderverein Aktion Jemenhilfe e.V." und der „Jemen Kinderhilfe e.V.",
immer noch gibt es keine Entwarnung im Kriegsgebiet Jemen.
Unser Verwalter des Krankenhauses in Al Mihlaf, Scheich Sadeq, ist schwer an Herzinsuffizienz erkrankt. Da im Augenblick im Jemen keine adäquate Behandlung möglich ist (die meisten Krankenhäuser sind zerbombt), hat sein ältester Sohn ihn in einer
10-stündigen Nachtfahrt nach Aden gebracht, von wo aus er mit ihm dann zur ärztlichen Behandlung nach Kairo fliegen konnte. Während der Zeit seiner Reise haben wir und auch seine Familie sehr um ihn gebangt.
Am 01.01.2019 kam er in Kairo an. Am 02.01.2019 bin ich in Begleitung von Frau Dr. Ring-Mrozik (Ärztin und Beisitzerin des Fördervereins) ebenfalls nach Kairo geflogen. Dort haben wir ihn 4 Wochen lang täglich zu allen notwendigen Ärzten begleitet.
Es war klar, dass er unbedingt nach Deutschland zu einer weiteren Behandlung kommen musste. Wir haben alle erforderlichen Papiere (Atteste, Versicherungen, Bestätigung der kostenlosen Behandlung und, und, und...) für ein Visum besorgt. Das Prozedere bei der Visastelle in Kairo mag ich Ihnen gar nicht beschreiben. Kurz: Es war entsetzlich. So musste ich vorab, ohne zu wissen, ob ein Visum erteilt werden wird, Flugtickets kaufen, damit der Antrag überhaupt bearbeitet wurde!
Am 11.02.2019 kam dann die Ablehnung.
Wir haben von Deutschland aus remonstriert. Auch vergebens. Ein Frankfurter Anwalt hat sich der Sache angenommen. Wir mussten Original-Dokumente aus dem Jemen vorlegen.
Im Jemen gibt es keine Post mehr. So musste Ali, Scheich Sadeqs drittältester Sohn und derzeit unser Ältester in Taiz, einen Kurier finden, der nach Aden fuhr - dort dann einen Kurier, der nach Kairo flog, damit Waheeb, Sadeqs Sohn, die Dokumente am Flugplatz entgegennehmen konnte. Wir waren fest überzeugt, dass wir dieses Mal wirklich alle Unterlagen haben, um glaubhaft zu machen - so habe ich an Eides statt erklärt, dass wir alle Unkosten tragen werden, so dass der Bundesrepublik keine Kosten entstehen werden und dass Scheich Sadeq und sein Sohn wieder in den Jemen zurückkehren wollen.
Doch wieder kam eine Ablehnung.
Ein Grund zur Ablehnung ist: „Die vorgelegten Informationen über Zweck und Bedingungen des Aufenthaltes waren nicht glaubhaft." Jetzt haben wir Klage beim Bundesverwaltungsgericht in Berlin eingereicht. Ich selbst überlege, ob ich die versteckt gemachte Behauptung ich hätte einen Meineid geleistet, auf mir sitzen lassen kann.
Während unseres Aufenthaltes in Kairo haben uns Scheich Sadeq und sein Sohn unglaubliche Geschehnisse aus Taiz berichtet. Dann traf die traurige Nachricht von Abdus Tod noch im Januar ein. Abdu war ca. 12 Jahre in unserer Bubengruppe. Er hat das Abitur bestanden und wollte Laborant werden. Er war auf dem Weg zur Beerdigung seiner Stiefmutter in Al Mihlaf. Auf dem Weg dorthin hat ihn ein Huthi überfallen. Er hat sich gewehrt. Das war der Grund für seine Verhaftung! Im Gefängnis der Huthis ist er verstorben.
Die Kämpfer des IS, von Al-Kaida, den Huthis und Islamisten sind in einem unbeschreiblichen Maße unmenschlich. Zu deren Terror kommen noch die Bombardements von Saudi-Arabien. Die meisten Krankenhäuser, Fabriken, Schulen und Universitäten, ja sogar Moscheen und Gebäude, die zum Weltkulturerbe gehören sind zerstört.
Immer wieder finden Straßenkämpfe statt. Die Menschen können die Wohnungen oft wochenlang nicht verlassen. Strom gibt es nur begrenzt. Da es keinen Dieselkraftstoff mehr gibt, kann der Müll nicht mehr entsorgt werden. Sauberes Wasser ist rar. Da die meisten Männer keine Arbeit mehr haben, der ehemalige Staat kaum noch Gehälter auszahlt, können sich viele Familien keine Nahrungsmittel mehr kaufen. Das hat dazu geführt, dass laut UNHCR alle 10 Minuten ein Kind an den Folgen des Hungers stirbt. 50% der Einwohner leiden an Hunger! Die Cholera ist ausgebrochen. Das Leid der Menschen ist unbeschreiblich.
Wir haben mit Ihrer Hilfe ca. 73 Buben und 25 Mädchen, alles Kriegswaisen, aufnehmen können. Auch einige alte Menschen, die alles verloren haben, leben in der Wohngemeinschaft bei den Kindern. Täglich kommen hungernde Menschen an die Türe und betteln um Essen. Bis jetzt ist es uns, Dank Ihrer Spenden, gelungen, keinen der Hungernden abweisen zu müssen.
Es gab ein großes Problem, als uns der Besitzer des Hauses, in dem unsere Jungs leben, der 20 Jahre in Saudi-Arabien gearbeitet hat, wegen Eigenbedarfs gekündigt hat. Es war unmöglich in der zerbombten Stadt Taiz ein anderes Haus für so viele Kinder anzumieten. Gott sei Dank haben wir ein Haus, das zum Verkauf stand, dank vieler Spenden mit den Mitteln unserer Stiftung, dem Förderverein und der Kinderhilfe, erwerben können.
Unsere Bank in Taiz hatte jedoch nicht so viel Geld in bar. So mussten Ali und Sadeqs Bruder Bilal nach Sana'a fahren. Eine einst 3,5 Stunden dauernde Fahrt zog sich jetzt über 20 Stunden hin! Dort konnte man dann nach langem Hin und Her endlich die Transaktion durchführen.
Das neue Haus mit 230 qm Wohnfläche gehört jetzt uns! Im Augenblick bessern die großen Jungs kleinere Schäden aus. Auch sind sie dabei den Zweiten Stock, der noch nicht ganz ausgebaut ist, unter der Leitung eines Bauingenieurs auszubauen. Sie gehen am Vormittag zur Schule oder Universität und am Nachmittag arbeiten sie am Bau! Ich bin unheimlich stolz auf sie! Der Umzug wird wohl in der ersten Novemberwoche stattfinden.
Da das Haus auf Regierungsgebiet steht, denken wir, dass es von saudi-arabischen Bombern nicht zerstört werden wird! Versorgt werden die Kinder von insgesamt 15 Kriegswitwen, von denen eine Lehrerin ist. Sie unterrichtet die Mädchen zuhause, damit ihnen der gefährliche Schulweg erspart bleibt. Unsere altgediente Hanan hat nach 20 Jahren immer noch die Oberaufsicht und versorgt die Kinder wie eine Mutter. Scheich Sadeq ist nach wie vor der Ziehvater der Kinder. Selbst von Kairo aus hat er ein Auge auf sie.
Unser Krankenhaus in Al Mihlaf ist noch unversehrt. Unsere treuen Mitarbeiter sind immer noch vor Ort und versorgen die Patienten ohne Ansehen der politischen Gesinnung. Es ist schwer Medikamente zu besorgen. Unser Pick Up ist zerstört. Da kein Dieselkraftstoff für den Generator der Wasserpumpe mehr vorhanden ist, muss Wasser von einem Tankwagen gekauft werden. Durch die Solaranlage, der Spende eines Mitglieds und der deutschen Botschaft, ist unser Haus wohl eines der wenigen Krankenhäuser, die zuverlässig Strom haben.
Traurig stimmt uns, dass die Stiefmutter von Abdu, bei der Arbeit im Krankenhaus so unglücklich gestürzt ist, dass sie verstarb. Sie hinterließ fünf kleine Kinder, die jetzt auch in Taiz bei unseren Jungs leben.
Es gibt im Jemen keinerlei soziales Netz. Das ist für uns der Grund für unsere treuen Mitarbeiter zu sorgen, wo immer es notwendig und möglich ist.
Immer wieder werde ich gefragt, ob wir immer noch im Jemen tätig sind. Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Gerade in der Not fühlen wir uns mehr denn je verpflichtet zu helfen, wo immer wir können.
Wir geben nicht auf! Wir arbeiten weiter gemäß unseres Leitspruches: „Hilfe, die ankommt und unmittelbar wirkt!"
Ihnen allen herzlichen Dank für Ihre vielfache Unterstützung, auf die wir auch weiterhin hoffen!
Wir wünschen Ihnen frohe Feiertage und ein friedliches neues Jahr!
Viele Grüße
Aenne Rappel
für die Vorstände des Fördervereins Aktion Jemenhilfe e.V. und der Jemen Kinderhilfe e.V.